📖 Buch Rezension & Kritik Das glückliche Geheimnis -

Rezension vom 01.03.2023

Eine Abhandlung über Geigers Schriftstellerkarriere, und sein Doppelleben als öffentliche Person und Lumpensammler in den Straßen Wiens.

Das glückliche Geheimnis Arno Geiger

Fünf Jahre nach Erscheinen seines letzten Romans, hat sich Arno Geiger mit der autobiografischen Erzählung “Das glückliche Geheimnis” Anfang 2023 zurückgemeldet.

Um welches Geheimnis es sich handelt, verrät Geiger direkt im zweiten Satz: “Mein glückliches Geheimnis bestand 25 Jahre lang darin, dass ich in Wien ausgedehnte Streifzüge machte und die an den Straßen stehenden, für Altpapier vorgesehenen Behältnisse erkundete auf der Suche nach für mich Interessantem.” Wenn es also nur um das Lüften des Geheimnisses ginge, könnte man das Buch nach der ersten Seite beenden. Aber natürlich liest man weiter, will wissen wie ein Bestsellerautor dazu kommt im Müll zu wühlen, was er dort gefunden hat und warum er “seine Runden”, wie er das wöchentliche Durchforsten des Altpapiers nennt, 25 Jahre lang durchgehalten hat.

“Das glückliche Geheimnis” wird zu einer Abhandlung über Geigers Schriftstellerkarriere, in die er seine Liebschaften und familiären Schicksale mit einbezieht. In Bezug auf seine Runden beginnt mit seinem Durchbruch - sein vierter Roman Es geht uns gut erhält den Deutschen Buchpreis - sein Doppelleben: “Hier das Leben als öffentliche Person. Dort das Leben als Lumpensammler in den Straßen Wiens.”

Mit dem Erfolg verlieren seine Funde (damals wertvolle Bücher, Briefmarkensammlungen etc., in der Zeit vor dem Internet) ihre ökonomische Bedeutung. Dafür spielen die “zehntausende Seiten Privatbriefe” und Tagebuch Bänder, die er durchgearbeitet hat, eine wesentliche Rolle für sein Schreiben.

Wie jetzt, er hat in fremden Briefen und Tagebüchern gelesen? Darf er das? Auch diese Frage diskutiert Geiger. Mir persönlich stößt es nicht negativ auf. Ich denke eher, dass ihm die Dinge ZU-ge-FALLen sind. Wenn jemand nicht wollte, dass Schriftstücke gelesen werden, muss er oder sie diese vernichten, d.h. schreddern oder verbrennen.

Allerdings hat mich irritiert, dass Arno Geiger Teile seiner Funde nicht zurück ins Altpapier getan, sondern stattdessen geschreddert hat. Wollte er damit die Exklusivität seiner Lektüre sicherstellen? Aber was berechtigt ihn dazu, zu entscheiden, was nochmals in andere Hände gelangt und was für immer vernichtet wird?

Insgesamt war es für mich als Schriftstellerin sehr interessant zu lesen, wie Arno Geiger über die Jahre seine eigene Sprache gefunden hat und durch welche Krisen er gehen musste, bevor er der wurde, der er heute ist. Dazu gehört auch der Umgang mit dem “plötzlichen Buchstod”, den er dreimal erlebt hat. Von all dem berichtet Arno Geiger in einem unaufgeregten Ton.

“Das glückliche Geheimnis” sei insbesondere allen angehenden Autor:Innen empfohlen. Das Buch macht Mut, einen Weg einzuschlagen, den andere nicht gehen.

Vielen Dank an den Hanser Verlag für das Rezensionsexemplar.

Rezension - besprochenes Buch

Titel: Das glückliche Geheimnis
Belletristik
240 Seiten
Verlag: Hanser Verlag
Erscheinungsjahr:
ISBN: 978-3-446-27617-8

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