📖 Buch Rezension & Kritik Ich tauche auf -

Rezension vom 01.04.2023

Ein einjÀhriges Pandemie-Tagebuch des Singer-Songwriters der Indie-Rock-Band Tocotronic Dirk von Lowtzow, das einen Hauch von Memoir besitzt.

Ich tauche auf Dirk von Lowtzow

“Ich tauche auf” heißt das neue Buch von Dirk von Lowtzow, das bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Was ein Tourtagebuch des Singer-Songwriters der Indie-Rock-Band Tocotronic hĂ€tte werden können, ist zum Pandemie-Tagebuch geworden. Die tĂ€glichen EintrĂ€ge vom 21. MĂ€rz 2020 bis zum 21. MĂ€rz 2021 (von seinem 49. bis zum 50. Geburtstag) bringen eine gewisse Ordnung in Dirk von Lowtzows Leben, das durch Tournee-Verschiebung und Konzertabsagen Kopf steht. Stillstand im Außen, Unrast im Innern.

In kurzen EintrĂ€gen begegnen wir seiner Partnerin J. und dem BĂ€rchen, gehen mit Dirk von Lowtzow einkaufen, erfahren von seinen DĂ€monen und Ängsten, seinen RĂŒckenschmerzen. Wir werden aber auch mit Gedichten und Songtexten unterhalten und bekommen eine Menge literarischer Anregungen durch die vielen Querverweise auf andere SchriftstellerInnen, LyrikerInnen und KĂŒnstlerInnen. Manche TagebucheintrĂ€ge gleiten ins Fantastische ab (wenn der Saugroboter zum soeben gelandeten Raumschiff wird) und einiges bleibt rĂ€tselhaft. Aber das ist okay. Und nicht zuletzt nimmt uns Dirk von Lowtzow mit auf seine StreifzĂŒge durch Berlin (eine beliebte Strecke geht durch den Volkspark Friedrichshain) und zu seinen AusflĂŒgen ins Brandenburger Umland (das schöne Buckow im Osten Berlins und Lanke im Norden).

Auch wenn das Pandemie-Jahr von Ă€ußerem Stillstand und seiner inneren Unruhe geprĂ€gt war, so war das Jahr produktiver als er gedacht hĂ€tte: “Das Album ist fertig geworden, ich war bei einem Filmdreh und diese EintrĂ€ge sind entstanden.” Und so erfreut einen als LeserIn auch das ResĂŒmee an seinem 50. Geburtstag: Er taucht auf und kann das GlĂŒck rĂŒckblickend sehen.

“Ich tauche auf” hat einen Hauch von Memoir, wenn sich der heute 52-JĂ€hrige an die AnfĂ€nge der Band in Hamburg erinnert als er sich vor 30 Jahren (!) in seine Bandkollegen verliebt hat (wie er im Eintrag vom 12. Oktober schreibt). Doch kommt das Buch nicht an ein Memoir wie “Die TrĂ€ume anderer Leute” der KĂŒnstlerin Judith Holofernes heran. DafĂŒr sind die Tagesnotizen zu kurz und die Gedanken zu sprunghaft. Und dafĂŒr will Dirk von Lowtzow auch zu wenig von sich Preis geben. Schade, dass er versucht sich “heimlich aus dem Text herauszuschreiben” wie er am 18.9. bemerkt.

FĂŒr alle Tocotronic Fans ist das Buch ein Muss. Und ansonsten ist es allen zu empfehlen, die die Pandemie- und Lockdown-Zeit noch zu verarbeiten haben und sich dafĂŒr interessieren, wie es einem KĂŒnstler dabei ging, seine BĂŒhne zu verlieren. Ich fand das sehr interessant und war besonders davon angetan, wie viele Parallelen sich zwischen dem Leben des Tocotronic Frontmanns und mir aufgetan haben - zumindest was die Pandemie-Zeit angeht: so viele SpaziergĂ€nge wie noch nie, YouTube Yogakurse, vorverlegtes Silvester, jeden Tag schreiben. Und zudem feiere auch ich immer am 21. MĂ€rz Geburtstag (wenn auch nicht meinen eigenen ;-).

Last but not least gefÀllt mir das handliche kleine Format sehr gut (passend zum Tagebuch). Es lÀsst sich wunderbar in der Jackentasche mitnehmen.

Vielen Dank an Kiepenheuer & Witsch fĂŒr das Rezensionsexemplar.

Rezension - besprochenes Buch

Titel: Ich tauche auf
Belletristik
240 Seiten
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungsjahr:
ISBN: 978-3-462-00115-0

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