📖 Buch Rezension & Kritik Zur See -

Rezension vom 01.11.2022

Ein faszinierender Roman über das rauhe und sich verändernde Leben auf einer fiktiven Nordseeinsel.

Zur See Dörte Hansen

🐋 Gelesen habe ich “Zur See” von Dörte Hansen auf der Insel Hiddensee. Auch wenn es eine Ostseeinsel ist, hatte ich doch das Gefühl mich sehr gut ins Buch, das auf einer fiktiven Nordseeinsel spielt, reinversetzen zu können. Und zwar in die Perspektive der Inselbewohner. Während ich von mir selbst die Sehnsucht nach der Insel kenne, zeigt Dörte Hansen die Kehrseite der Medaille:

“Man muss, wenn man auf einer Insel leben will, die Tagesränder suchen. Die Dämmerzeiten zwischen Tag und Nacht, die frühen Nebelmorgen und die späten Regennachmittage. Man muss am Strand, beim Bäcker und im Supermarkt gewesen sein, bevor die erste Fähre mit den Bustouristen und den Fahrradfahrern kommt. Und man muss warten, bis die Abendfähre weg ist, wenn man allein auf einem Inselfriedhof stehen will.”

Mit diesem Blick bin ich einem alten Insulaner auf Kloster (Hiddensee) begegnet und habe ihn vorsichtig gefragt, ob er froh ist, wenn die Touristen abfahren und es endlich Winter wird. Der alte Mann lächelte sanft und sagte: “Am Ende des Sommers hat man genug, dann freut man sich auf die einsamen November- und Januartage. Aber ab Februar/März freut man sich schon wieder. Wir leben davon”, sagte er und es gebe auch immer Orte, wo er ganzjährig allein sein könne. Nach diesen Worten habe ich mich besser gefühlt😉

Aber zurück zu Dörte Hansens Roman: Im Zentrum ihrer Erzählung steht die Geschichte der Familie Sander, die Dörte Hansen tiefgründig erzählt. Wir lernen die Mutter Hanne Sander kennen, die früher Touristen bewirtet hat und jetzt im Heimatmuseum arbeitet, den Vater Jens, der kein Seefahrer mehr ist, sondern Vogelwart. Außerdem den ältesten Sohn Ryckmer und seine Angst vor der großen Welle. Die Tochter Eske arbeitet im Seniorenheim, der jüngste Sohn sammelt Treibgut und wird als Künstler gefeiert.

🐋 Die Zeit, in der die Insel vom Walfang gelebt hat, ist vorbei. Das wird auch in der Mitte des Buches deutlich als ein Pottwal strandet und niemand weiß wie mit ihm umzugehen ist. Genau hier findet auch der Wendepunkt des Romans statt. Und davon will ich nicht allzu viel verraten.

Soviel sei gesagt: das Buch lohnt sich zu lesen. Ich finde es ist ein ganz einmaliger Roman von Dörte Hansen mit einem besonderen Ton, einer ganz eigenen Atmosphäre. Vielleicht mit einem Sprach-Rhythmus von Ebbe und Flut. Und ich weiß, ich muss es wieder lesen und dieses Mal Sätze markieren und notieren. Als Autorin bin ich sehr fasziniert davon, dass es so gut wie keine Dialoge gibt.

Es war übrigens mein erster Dörte Hansen Roman. Weitere werden folgen, da bin ich mir ganz sicher.

Rezension - besprochenes Buch

Titel: Zur See
Belletristik
⭐⭐⭐⭐⭐
256 Seiten
Verlag: Penguin Verlag
Erscheinungsjahr:
ISBN: 978-3-328-60222-4

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